Die bisher volle Tanzfläche leerte sich in Sekunden. McCain deutete eine leichte Verbeugung gegenüber seiner Tanzpartnerin an und wollte sie bei der Hand nehmen und mit ihr den Heimweg antreten. Plötzlich standen drei Cowboys um sie herum. Einer hätte auch bei passender Verkleidung als Gorilla in dem vor zwei Jahren gegründeten Zoo von Dallas sein Geld verdienen können. Der jüngste und kleinste der drei Männer, er trug ein blaues Flanellhemd und zwei blitzende Colts in seinen Revolvertaschen, sprach McCain höflich an. „Entschuldigen Sie, Mister. Erlauben Sie mir, Ihre hübsche Tochter für einen Tanz zu entführen?“
„Tut mir leid. Meine Frau und ich wollen gerade aufbrechen und den Heimweg antreten.“
Der Mann, der ein lausbubenhaftes Gesicht mit großen blauen Augen besaß, mit denen er bestimmt schon manches Mädchen beeindruckt hatte, gab keine direkte Antwort, sondern griff Susans Hand und meinte: „Nur einen Tanz. Dann können Sie auch mit Ihrem Dad nach Hause gehen, Miss.“
Gerade als McCain protestieren wollte, packte ihn der Gorilla von hinten und umspannte mit seinen starken Armen den gesamten Oberkörper. McCain hatte das Gefühl, in einer Schraubzwinge eingespannt zu sein. Obwohl der Kopf des Mannes hinter ihm war, roch er den stinkenden Whiskeyatem. Der junge Cowboy nahm von der Aktion seines Kumpanen keine Notiz, sondern lächelte Susan an. „Bitte, einen einzigen Tanz, dann bekommen Sie Ihren Dad auch zurück.“
McCain erinnerte sich an einen Tritt, den ihm Tian gezeigt hatte, um sich aus dem Griff eines Gegners zu befreien. Der Stiefelabsatz musste das Schienbein des Gorillas mit voller Wucht getroffen haben, denn dieser heulte vor Schmerz auf und lockerte die Umklammerung. McCain bekam seinen rechten Arm frei und schlug mit der Faust rückwärts ins Gesicht seines Gegners, zu den Schmerzen im Bein kam jetzt noch eine sofort blutende Nase. Hätte der Gorilla ihn noch fest in seiner Umklammerung gehabt, hätte er ihn jetzt vermutlich aus Wut und Rachedurst einfach zerquetscht. Das war ihm aber nicht mehr möglich, denn McCain hatte sich befreit und stolperte einige Schritte nach vorne. Der zweite Mann, mittelgroß und vermutlich von einer mexikanischen Mutter abstammend, verpasste ihm einen Faustschlag, der McCain genau auf den Mund traf und einen seiner Vorderzähne abbrechen ließ. Der Schlag hatte McCain zu Boden stürzen lassen. Diesmal war er es, der vor lauter Wut am liebsten alle drei Cowboys ins Jenseits befördert hätte. Auf seine weißen Zahnreihen war McCain mächtig stolz, nicht ein einziger Zahn war ihm bisher, trotz aller Schlägereien, die er in jüngeren Jahren bewältigen musste, verloren gegangen. Außerdem war es das zweite Mal in wenigen Wochen, dass er zu Boden geschlagen worden war, eine Prozedur, die er in den Jahrzehnten seiner Sheriffzeit nicht ein einziges Mal kennengelernt hatte.
Er griff mit der rechten Hand nach seinem Revolver, darauf schien der Jüngste der drei Männer nur gewartet zu haben, denn er hatte blitzschnell beide Colts in seinen Händen, verzichtete aber darauf zu feuern, weil zwei Polizisten, die an der Tribüne postiert und an diesem Abend für die Sicherheit der Veranstaltung verantwortlich waren, das Geschehen mitbekommen hatten und mit gezogenen Pistolen die Kämpfenden aufforderten, sofort ihre Waffen auf den Boden zu werfen. Der junge Cowboy zögerte einige Sekunden, wahrscheinlich hätte er beide Polizisten erschießen können, aber es gab Dutzende von Augenzeugen und der am Boden liegende Mann im schwarzen Anzug, hatte inzwischen einen Peacemaker in der Hand und zielte direkt auf ihn.
McCain ließ seinen Colt erst fallen, nachdem die beiden Pistolen des jungen Cowboys auf den Boden gekracht waren. Er erhob sich mühsam und öffnete sein Sakko. Der silberne Stern wurde sichtbar.
„Deputies! Ich bin Marshall Frank McCain. Diese drei Trunkenbolde haben ohne Grund Streit angefangen. Ich fordere Sie auf, die drei Männer zu verhaften und in eine Zelle zu stecken, bis sie wieder nüchtern sind!“